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Was auch immer geschieht, ist das Einzige, was geschehen konnte -Gedanken zur Nachhaltigkeit von Selbstorganisation und deren Wahrnehmung

Vor kurzem hatte ich ein Follow Up, also ein Nachtreffen eines Open Space, den ich im Herbst 2018 begleitet habe und der sehr gut gelaufen ist. Es ging dabei um einen Verbund von Menschen, die im gleichen Beruf, der Krankenhausseelsorge arbeiten, die zwar alle in sehr unterschiedlichen Kliniken beschäftigt sind, welche jedoch demselben Träger unterstehen.

Bei diesem Follow Up habe ich etwas beobachtet, was ich sehr häufig in Prozessen erlebe:
Es gab ein ertragreiches Vorbereitungstreffen und einen erfüllten Open Space, und dann, fünf Monate später, trifft sich die Gruppe wieder, um zu sehen, was aus den Ideen und Vorhaben geworden ist, die verabredet wurden.

Enttäuschung über mangelnde Umsetzung der Vorhaben
Zu Beginn des Follow Ups waren die Einschätzungen der Teilnehmenden eher: Oh ja, das war eine wirklich tolle Veranstaltung – aber trotzdem hat sich nicht wirklich was verändert. Oder: Wir haben das, was wir uns vorgenommen haben, leider gar nicht umgesetzt!

Neben der Freude, sich wieder zu sehen, waren also recht viele Sorgen im Raum und es überwog allgemein das Gefühl: Das Glas ist halbleer.

Perspektivwechsel durch Austausch und positive Sicht auf das Erreichte
Als wir dann aber in den drei Stunden, die dieses Meeting dauerte, genauer hingeschaut und überlegt haben, was bis heute eigentlich konkret passiert ist, vor allem, als sich die Teilnehmenden darüber ausgetauscht haben, was sich bewegt hat, hatte sich Stimmung spürbar komplett verändert. Das geschah sogar schon bis zur Pause. Denn durch den Austausch untereinander hatte sich der Blick darauf gewendet, was schon umgesetzt worden war. Und zwar nicht deshalb, weil die Anwesenden dies tun mussten, sondern weil die Menschen eine Leidenschaft dafür haben, das Thema voranzubringen, was ihnen wichtig ist. Das ist innovativ, das ist sehr kreativ, und es ist das, was die Menschen wirklich bewegt.

In diesem Moment spürte ich wieder eine sehr große Dankbarkeit im Raum für diesen Freiraum, der durch den Open Space geschaffen wurde, und der genau dies möglich macht: dass Menschen Verantwortung übernehmen und mit Leidenschaft ihre Anliegen weiter führen.

Dies erlebe ich bei den Folgetreffen eines Open Space oder anderer interaktiver Formate, wo am Ende die Planung von Vorhaben steht, immer wieder ähnlich: dass zunächst viele der Meinung sind – vermutlich auch aufgrund all der Dinge, die sie sonst noch beschäftigen, durch den Druck und den Stress, unter dem sie im Alltag stehen – die bisherige Umsetzung der Vorhaben sei nicht besonders erfolgreich gewesen und man müsse das Ganze wohl noch mal anders angehen. Nach dem Austausch untereinander ist die Stimmung dann in aller Regel eine völlig andere als zu Beginn des Treffens.

Umsetzung der eigenen Themen: besser kleine, praktische Schritte tun als nur über das große Ganze reden
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie regelmäßig dies passiert. Und ich denke, das liegt möglicherweise daran, dass wir das Prinzip „Was auch immer geschieht, ist das Einzige, was geschehen konnte“ in unserem Alltag und in unserer Arbeit noch zu wenig beherzigen und leben können. Dass wir noch viel zu oft hadern mit dem, was ist, statt ins Handeln zu kommen und Dinge zu bewegen, auch wenn es nur ein nächster Schritt ist. Viel häufiger scheinen wir die großen Themen im Blick zu haben, die uns in ihrer Mächtigkeit vielleicht eher erdrücken und handlungsunfähig machen.

Aber um in die Handlung zu kommen und Dinge mit Energie voran zu treiben, braucht es eben genau diese Energie von „ich, hier und das ist jetzt das Richtige!“ Deshalb üben wir dies im Open Space auch immer wieder.

Mit Lebendigkeit und Flexibilität Widerstände überwinden
Insofern ist dieser kleine Blogbeitrag ein Plädoyer dafür, sich in der alltäglichen Praxis, am Arbeitsplatz und in anderen Situationen, immer wieder zu fragen: „Was ist der nächste gute/ sinnvolle Schritt, den ich gehen kann, um der Umsetzung meiner Themen, die mir wirklich wichtig sind, ein Stückchen näher zu kommen?“

Letztlich geht es auch immer darum, mit Lebendigkeit auf bestimmte Situationen zu reagieren. Menschen, die lebendig und flexibel sind, können ihre Vorhaben wirklich voranbringen – auch gegen Widerstände, etwa durch bestehende Strukturen, die sie einengen. Ich bin überzeugt, der Schlüssel ist die Lebendigkeit! Und diese entsteht eben dann, wenn ich mir das Prinzip des „Was auch immer geschieht…“ immer wieder vor Augen führe und im hier und jetzt agiere.

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