Facilitation Academy | Facilitating Leadership

Die Methode World Café – Gute Gespräche als Schlüssel

Das World Café wurde im Jahr 2000 entwickelt („entdeckt“) von den US-amerikanischen Berater*innen Brown und Isaacs.

Annahmen

  • es gibt ein kollektives Wissen
  • wenn Menschen interaktiv in Kontakt und ins Gespräch kommen, können neuartige Erkenntnisse und Lösungen gefunden werden
  • Selbstentwicklung, Selbststeuerung und Selbstorganisation
  • Entspannte Atmosphäre, gutes Gespräch

Der Nutzen

  • Menschen in (großen) Gruppen miteinander ins Gespräch bringen
  • Neue Ideen und Konzepte mit Vielen erarbeiten
  • Das Wissen und die Erfahrung von Vielen nutzen
  • Energien mobilisieren
  • Erhebung und Differenzierung von Meinungen
  • Dialog ermöglichen
  • „Kauen und Verdauen“ neuer Ideen und Konzepte

Typische Einsatzfelder

  • Planung oder (Zwischen-) Auswertung von Projekten
  • Bildung bzw. Verfestigung von Initiativen und Netzwerken
  • Interaktiver Dialog auf Fachtagen oder Konferenzen
  • Verarbeiten von Informationen
  • Nutzung von „kollektiver Intelligenz“ zum Finden neuer Lösungen, z.B. im politischen Feld
  • Bürgerbeteiligung
  • Strategieentwicklung

Ziel des World-Cafés
Das Ziel eines World-Cafés ist primär, dass die Teilnehmenden einer Veranstaltung in entspannter Atmosphäre miteinander ins Gespräch kommen und sich über ein für die Organisation relevantes Thema austauschen. Informationen können so sehr schnell vernetzt werden und neue Ideen entstehen. Ein World-Café dauert 1 bis 2 Stunden (mit jeweils 3 Gesprächsrunden à 20 – 30 Minuten).

  Die Methode basiert auf folgenden Prinzipien:

  • Kontext klären
  • Gastfreundlichen Raum und Atmosphäre schaffen
  • Fragen von Wichtigkeit nachspüren
  • Jede*n Teilnehmer*in zum Mitmachen ermutigen
  • Aktives Zuhören, vertieftes Fragen und gemeinsam Neues Entdecken

Ablauf eines World-Cafés
In meiner Praxis spielt das World Café in der hier beschriebenen spezifischen Umsetzung eine größere Rolle, ich nutze es oft, vor allem, wenn die Anzahl der Teilnehmenden größer als 20 ist.

1. Raum vorbereiten
Es stehen kleine Tische bereit (gerne Stehtische) mit jeweils 4-6 Stühlen (ideal sind 4, nicht mehr als 6, damit alle zu Wort kommen können). Auf den Tischen befinden sich:

  • eine Papiertischdecke (z.B. ein Blanko-Flipchart-Papier)
  • Stifte in verschiedenen Farben
  • eine Blume oder andere Dekoration
  • Die Café-Etikette

Es gilt die Café-Etikette:

  • Fokus auf das, was wichtig ist
  • Eigene Ansichten und Sichtweisen beitragen
  • Sprechen und Hören mit Herz und Verstand
  • Augen auf! Mit Überraschungen ist stets zu rechnen
  • Spielen, kritzeln, malen – auf die Tischdecke schreiben ist erwünscht

2. Kurze Einführung
Nachdem sich die Teilnehmenden auf die Tische verteilt haben, führe ich in das Vorgehen ein und nenne die Fragestellung (visualisieren!). Hierbei ist es wichtig, auf die informelle Natur des Gesprächs hinzuweisen (Analogie zum Treffen im Café mit guten Freund*innen).

3. Gesprächsrunden
Die Gruppen halten ihre Gedanken auf den Papiertischdecken fest. Nach etwa 20-30 Minuten ist die erste Gesprächsrunde beendet. Nun begeben sich alle Teilnehmenden an andere Tische und formen neue Gruppen. Zurück bleibt eine so genannte „Gastgeber*in“. Diese Person teilt mit den neuen Tischnachbar*innen die wichtigsten Erkenntnisse aus der ersten Runde. Dann spricht die Gruppe erneut über die gleiche Frage. Nach 20-30 Minuten ist diese Runde ebenfalls beendet, alle bis auf die Gastgeber*in suchen sich einen neuen Tisch und arbeiten in der dritten Runde an einer neuen (auf der ersten Frage aufbauenden) Fragestellung weiter. Für ein Thema oder eine Fragestellung sind in der Regel drei Gesprächsrunden sinnvoll.

4. Abschluss
Zum Abschluss und für die „Ernte“ gibt es verschiedene Varianten:

  • die Tischdecken werden in einer Galerie aufgehängt und es gibt einen Galerierundgang, gut zu verbinden mit einer Kaffeepause
  • die Begleitung geht von Tisch zu Tisch und befragt die Gruppe über die wichtigsten Erkenntnisse
  • die wichtigsten Erkenntnisse aus der dritten Runde werden von den Tischrunden aufgeschrieben und auf Pinnwänden geclustert.

Was macht das World Café „dialogisch“?
Nach meiner Erfahrung entsteht in der zweiten Runde – wenn die Teilnehmenden mit einer anderen Gruppe an der gleichen Frage arbeiten – ein neuer Raum, der sehr schnell in die Tiefe gehen kann und möglicherweise ganz neue Erkenntnisse zutage fördert. Da alle vorher an einem anderen Tisch saßen, erkenne ich schnell Ähnlichkeiten und Unterschiede im Inhalt und werde eingeladen „über den Tellerrand“ zu denken. Wenn ich in jeder Runde eine neue Frage stelle, gelingt dies aus meiner Sicht eher nicht.

Die Entwicklung der Fragen für das World Café ist die wichtigste Aufgabe im Vorfeld der Veranstaltung und ist bereits Teil des Prozesses. Ich erarbeite die Fragen immer mit meinen Auftraggebenden zusammen, ggf. mit einer Steuerungsgruppe. Manchmal machen wir auch einen kleinen „Probedurchlauf“ mit einer repräsentativen Gruppe, um die genaue Formulierung der Fragen zu präzisieren und ggf. anzupassen.

Meist bezieht sich die erste Frage (für Runde 1 und 2) auf den Kontext und die Gegenwart. Die zweite Frage bezieht sich auf die Zukunft und die Handlungen.

 Beispiele für World Café-Fragen:

  • 1. Was bedeutet „gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen“ in unserem Betrieb?
    2. Wie muss unsere Zusammenarbeit gestaltet sein, damit sie attraktiv, machbar und für alle von Nutzen ist?
  • 1. Quotenregelung in der Satzung – wozu brauchen wir sie und für wen ist sie hilfreich?
    2. Was brauchen wir, um eine sinnvolle Quotenregelung zu entwickeln?
  • 1. Wenn wir uns jetzt weiter auf den Weg Richtung xy machen: was müssen wir unbedingt beibehalten, was gilt es loszulassen?
    2. Welche ersten Schritte wären hilfreich?
  • 1. Was bedeutet Vielfalt in unserem Schulalltag, welche Erfahrungen machen wir?
    2. Was brauchen wir, um Vielfalt an unserer Schule immer gelingender leben zu können?

Und danach?
Mit den Erkenntnissen aus dem World Café wird in der Regel im Verlauf der Veranstaltung weitergearbeitet. Es bietet sich z.B. eine Aktions- oder Handlungsplanung an.

nähere Informationen über World Café siehe: http://www.the worldcafe.com

 Logistik-Tipp:
Da es vor Ort nicht immer die geeigneten kleinen Tische gibt und der Umbau während einer längeren Veranstaltung manchmal sehr aufwändig werden kann, empfehle ich den Einsatz der „Pappscheiben“ von Stange Design: https://www.pappmoebelshop.de/arbeiten/schulung/

Standardmäßig gibt es die Pappschieben in 90cm Durchmesser, das ist für 3-4 Personen ok. Wenn ihr eher 5 Personen um eine Scheibe haben wollt, dann könnt ihr ggf. bei Stange Design Scheiben mit 110 cm Durchmesser anfertigen lassen.

Die Pappscheiben werden mit Papier überzogen (am einfachsten schneidest du weißes Pinnwand-Bespannungspapier zu und klebst es leicht mir Tesa-Krepp fest.) und auf den Boden gelegt, mit jeweils 3-4 Stühlen drum herum. Wenn es losgeht, heben die Teilnehmenden die Scheibe gemeinsam hoch und rutschen mit den Stühlen etwas nach vorne, dann können sie die Scheibe gemeinsam auf die Oberschenkel legen.

Und übrigens:

Ein World Café wird klassischerweise mit 30-150 Teilnehmenden durchgeführt. Ich mache es mit mindestens 9 Personen (3 Tische mit 3 Personen) und mein größtes World Café bislang hatte ca. 750 Teilnehmende.

 

 

© Jutta Weimar – Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Leicht veränderter Auszug aus dem Buch „Mini Handbuch Facilitation“, erschienen 2021 beim Beltz Verlag. Alle Rechte vorbehalten.
Mehr Informationen zu Facilitation unter: www.facilitation-academy.de

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