Facilitation Academy | Facilitating Leadership

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8 Wir sind das wichtigste WerkzeugMeine Grundsätze des #Facilitation, 8 von 8 

Eine Maschine ist ein geschlossenes System, auf das die Konstrukteurin oder der Mechaniker von außen blickt. Dabei spielt es keine Rolle, wer es genau ist und wie die Person genau mit der Maschine interagiert – solange die Person das »fachlich Richtige« tut.
Wenn wir mit Menschen interagieren, sind wir immer Teil des Systems, wir beeinflussen also durch unsere Anwesenheit (auch digital) und unsere Interaktion den Prozess und das Ergebnis menschlichen Handelns. So wie Otto Scharmer feststellt: »You are the most important tool« (deutsch: »Du bist das wichtigste Werkzeug«), ist es eben nicht das Werkzeug an sich, welches einen Unterschied macht, sondern wie es eingesetzt wird.

Hierbei wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir bewusst handeln, um den Bereich unserer »blinden Flecken« immer mehr zu erhellen und die Bewusstheit über uns selbst stets weiterzuentwickeln. Dazu gehört vor allem, die Wahrnehmung unserer eigenen Denk- und Handlungsmuster zu schärfen und diese immer wieder zu hinterfragen.

Selbstkenntnis und Selbstforschung
Dafür eignen sich alle Formate zur Selbsterfahrung inklusive der kollegialen Beratung, Supervision und Coaching. Auch lohnt sich eine nähere Betrachtung und Überprüfung der eigenen Glaubenssätze in Bezug auf Menschen im Allgemeinen und Gruppen im Speziellen. Als Facilitatorin kann ich bei der Zusammenarbeit mit Gruppen einen großen Unterschied machen, wenn ich meinen inneren Möglichkeitsraum bewusst groß halte, indem ich beispielsweise den oftmals im Vorfeld verbalisierten Aussagen über einzelne Mitglieder oder die ganze Gruppe – vor allem, wenn sie verallgemeinernd und einschränkend sind – prinzipiell skeptisch gegenüberstehe und ihnen positive, meinen Erfahrungen nach universellere Glaubenssätze entgegenstelle.

Hierbei sind systemisches Grundlagenwissen und die Grundannahme des wertschätzenden Erkundens immer wieder hilfreich: Jeder Mensch, jedes Team und jede Organisation hat ungeahnt großes Potenzial, das manchmal schon zu Beginn aufblitzt. Organisationen entwickeln sich immer in die Richtung dessen, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten und womit sie sich beschäftigen. Auch die Prinzipien des Open Space geben in herausfordernden Situationen immer wieder Orientierung auf das Hier und Jetzt und auf die Potenziale. Zum Beispiel: »Es fängt an, wenn die Zeit reif ist« und »Vorbei ist vorbei – nicht vorbei ist nicht vorbei«. Wenn ich dies wirklich spüren und glauben kann, hat das stets eine ermöglichende Wirkung auf die Menschen und Gruppen, mit denen ich zu tun habe.

Eine hervorragende Methodik zu Untersuchung eigener einschränkender Gedanken ist die Methodik »The Work« nach Byron Katie. Demnach können mit vier Fragen und entsprechenden Umkehrungen schmerzhafte, limitierende Glaubenssätze untersucht und gelernt werden, den eigenen Blick zu weiten. Gleichzeitig ist diese Methode hoch facilitativ, da mit ihr eine Struktur eingeführt wird, die jederzeit genutzt werden kann.
Mehr zu »The Work« von Byron Katie finden Sie unter: https://www.vtw-the-work.org oder www.thework.com.

Wenn ich mit einer Gruppe arbeite, stehe ich immer potenziell als Gegenüber für Autoritätsprojektionen zur Verfügung. Menschen reagieren auf die Rolle, die wir haben, wenn wir einen Prozess begleiten. Und Vorerfahrungen, die diese Menschen mit Eltern, Lehrerinnen oder Führungskräften hatten – ob positiv oder negativ – sind meist im Spiel, wenn jemand in besonderer Weise auf dich reagiert.

Unser Tipp: Mache Deine Entscheidungen über die Vorgehensweise im Prozess nicht von den oben erwähnten Faktoren abhängig. Konkret bedeutet das, starken Reaktionen Einzelner nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Es ist also weder die Person, die uns offen kritisiert, noch die Person, die uns in der Pause »Komplimente« macht, die uns die wichtigsten Hinweise für das richtige Vorgehen gibt, sondern der Prozess an sich und die Teilnehmenden der gesamten Gruppe.

 

Sprache, facilitativer Stil und Embodiment
Sprache ist essenziell: Facilitativ einen Möglichkeitsraum zu öffnen und zu halten, geht mit einer Sprache einher, die öffnet und zum Forschen einlädt. Der Konjunktiv ist dabei unser bester Freund. Worte wie »möglicherweise«, »ein wenig« oder »vielleicht« machen Wahlmöglichkeiten auf und schließen ein. Bei der Entwicklung einer ermöglichenden Sprache haben mir persönlich die tiefen Lernerkenntnisse mit hypnotherapeutischen Ansätzen (zum Beispiel das Milton-Modell im NLP, hypnosystemische Ansätze nach Gunther Schmidt (2013)) sehr geholfen.

Ein Beispiel
»Ihr habt bestimmt schon erlebt, dass …« hat eine andere Wirkung als die Einladung »Möglicherweise hat der eine oder die andere unter euch schon einmal erlebt, dass …«. Diese Einladung betont meinen Standpunkt nicht als wissende, sondern als forschende Person. Und genau um dieses Nichtwissen geht es. Es drückt sich in jedem Satz aus, den wir sagen.

Facilitativer Stil
Bei der Entwicklung eines facilitativen Stils ist die eigene Erfahrung auf vielen Ebenen notwendig, und dies nicht nur als Prozessbegleiterin. Es zählt zu den schwierigsten Herausforderungen, mit zunehmender Kompetenz und Erfahrung immer wieder in die forschende, nichtwissende Haltung zu gehen – und das nicht nur nach außen. Es bedarf einer bewussten Entscheidung und einer bestimmten Praxis, um nicht nach einigen Jahren nur noch Antworten und keine Fragen mehr zu haben.

Hierbei ist der »Four-Fold Way« (deutsch: vierfacher Weg) nach der Arbeit von Angeles Arrien (1993) in einer Übertragung durch die »Art of Hosting«-Community eine gute Unterstützung. Man unterscheidet dabei vier Ebenen der Praxis.

  • Host Yourself: Sei Dein eigener Gastgeber, Deine eigene Gastgeberin. Lerne mit allen Deinen Übertragungen, Ängsten und Sorgen umzugehen.
  • Be Hosted: Sei Gast. Nimm regelmäßig an Dialogveranstaltungen oder ähnlichen Veranstaltungen teil.
  • Host Others: Sei selbst Gastgeberin oder Gastgeber.
  • Be Part of a Community hosting itself: Sei Teil von selbstorganisierten Gruppen.

Community of Practice
Eine Community of Practice (CoP) ist eine Gemeinschaft von Personen, die eine gewisse Praxis verfolgt und sich gegenseitig im Lernen unterstützt. Der Begriff wird häufig in Organisationen genutzt für linienübergreifende Gruppen in einem Entwicklungsprozess, aber auch für Menschen, die sich für eine Praxis oder Methode (zum Beispiel Facilitation) interessieren und sich darin gemeinsam üben.

Wenn ich diese vier Praktiken kenne und mich den unterschiedlichen, damit verbundenen Lernsituationen regelmäßig aussetze und sie bewusst pflege, bin ich in der Lage, die facilitative Haltung fortwährend weiterzuentwickeln.

 

Embodiment
Zu guter Letzt möchte ich noch auf einen für mich in den letzten Jahren sehr zentral gewordenen Punkt hinweisen: Embodiment, kurz die Verkörperung. Unser Körper ist zugleich Ausdruck unserer inneren Welt (was denke und fühle ich gerade) und Resonanzraum (was geschieht hier im Raum). Wir können lernen, in Einklang mit den vielfältigen und reichhaltigen Impulsen, die unser Körper sendet, Menschen und Gruppen zu begleiten. Es geht also um eine Bewusstmachung darüber, welche Entsprechung das »Außen« im »Innen« hat, und wie wir die Weisheit unseres Körpers nutzen können, um authentisch einen Raum zu halten, in dem sich eine Gruppe entwickelt. Dies kann über vielfältige Praktiken gelingen: Meditation, Achtsamkeitsübungen, Praktiken der Tanztherapie und -pädagogik oder spezifische Ansätze wie das »Leadership Embodiment« (Palmer/Crawford, 2013).

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Mehr zu den Grundsätzen des Facilitation in meinem „Mini Handbuch Facilitation“, Beltz-Verlag 2021, oder in unseren Ausbildungsangeboten auf www.facilitation-academy.de

Wir möchten besonders auf unsere folgenden Ausbildungsangebote hinweisen:
1-jährige Ausbildung zum Facilitator
Seminar Interne Prozessbegleitung
Facilitation Basics Online

 

© Jutta Weimar – Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Leicht veränderter Auszug aus dem Buch „Mini-Handbuch Facilitation“, erschienen 2021 beim Beltz Verlag. Alle Rechte vorbehalten. Mehr Informationen zu Facilitation unter: www.facilitation-academy.de

*** English version: ***

8 We are the most important toolMy principles of #Facilitation 8 of 8

A machine is a closed system that the designer or mechanic looks at from the outside. It doesn’t matter who it is exactly or how exactly the person interacts with the machine – as long as the person is doing the „technically correct“ things.
When we interact with people, we are always part of the system, so we influence the process and outcome of human action through our presence (even digitally) and our interaction. As Otto Scharmer states, „You are the most important tool“, it is not the tool itself that makes a difference, but how it is used.

Here it becomes clear how important it is that we act consciously in order to illuminate the area of our „blind spots“ more and more and to constantly develop our awareness of ourselves. This includes, above all, sharpening our perception of our own patterns of thought and action and questioning them again and again.

 

Self-knowledge and self-exploration

All formats of self-awareness including collegial counseling, supervision and coaching are suitable for this purpose. It is also worthwhile to take a closer look at and examine one’s own beliefs regarding people in general and groups in particular. As a facilitator, I can make a big difference when working with groups, if I consciously keep my inner space of possibility large, for example, by being skeptical in principle about statements about individual members or the whole group that are often verbalized in advance – especially if they are generalizing and limiting – and by countering them with positive beliefs that are more universal in my experience.

Systemic basic knowledge and the basic assumption of appreciative exploration are always helpful here: every person, every team and every organization has undreamt-of potential that sometimes flashes up at the very beginning. Organizations always evolve in the direction of what they focus their attention on and deal with. In challenging situations, the principles of Open Space also always provide orientation to the here and now and to potential. For example, „It starts when the time is right“ and „Over is over – not over is not over.“ When I can truly feel and believe this, it always has an enabling effect on the people and groups I am involved with.

An excellent methodology for examining one’s own limiting thoughts is the methodology „The Work“ by Byron Katie. According to this, with four questions and corresponding reversals, painful, limiting beliefs can be examined and one can learn to broaden one’s own view. At the same time, this method is highly facilitative because it introduces a structure that can be used at any time.

For more on „The Work“ by Byron Katie, visit: https://www.vtw-the-work.org or www.thework.com.

 

When I work with a group, I am always potentially available as a counterpart for authority projections. People respond to the role we have when we facilitate a process. And prior experiences these people have had with parents, teachers or leaders – whether positive or negative – are usually at play, when someone responds to you in a particular way.

Our tip: Don’t make your decisions about how to proceed in the process dependent on the factors mentioned above. Specifically, this means not giving too much importance to strong reactions of individuals. Thus, it is neither the person who openly criticizes us nor the person who „compliments“ us during the break who gives us the most important clues about the right course of action, but the process itself and the participants of the whole group.

 

Language, facilitative style and embodiment
LANGUAGE IS ESSENTIAL: Facilitatively opening and holding a space of possibility goes hand in hand with language that opens and invites exploration. The subjunctive is our best friend here. Words like „possibly,“ „a little,“ or „maybe“ open up and include choices. In developing an enabling language, deep learning with hypnotherapeutic approaches (for example, the Milton model in NLP, hypnosystemic approaches according to Gunther Schmidt (2013)) have helped me personally a lot.

Example
„You have certainly already experienced that …“ has a different effect than the invitation „Possibly one or the other of you has already experienced that …“. This invitation emphasizes my position not as a knowing person, but as an inquiring person. And exactly this not knowing is the point. It is expressed in every sentence we say.

 

FACILITATIVE STYLE: In developing a facilitative style, one’s own experience is necessary on many levels, and not only as a process facilitator. It is one of the most difficult challenges to keep moving into the exploratory, non-knowing stance as one becomes more skilled and experienced – and not just outwardly. It requires a conscious decision and a certain practice, in order not to have only answers and no more questions after a few years.

Here the „Four-Fold Way“ according to the work of Angeles Arrien (1993) in a transmission by the „Art of Hosting“ community is a good support. There are four levels of practice.

– Host Yourself: Be your own host, your own hostess. Learn to deal with all your transmissions, fears and concerns.

– Be Hosted: Be Guest. Participate in dialogue events or similar events on a regular basis.

– Host Others: Be a host yourself.

– Be Part of a Community hosting itself: Be part of self-organized groups.

 

Community of Practice

A Community of Practice (CoP) is a community of people who follow a certain practice and support each other in learning. The term is often used in organizations for cross-lineage groups in a development process, but also for people who are interested in a practice or method (for example, facilitation) and practice it together.

If I know these four practices and regularly expose myself to the different learning situations associated with them and consciously cultivate them, I am able to continuously develop the facilitative attitude.

 

EMBODIMENT: Last but not least, I would like to point out an issue that has become very central for me in recent years: Embodiment.

Our body is both an expression of our inner world (what am I thinking and feeling right now) and a resonance space (what is happening here in the room). We can learn to accompany people and groups in harmony with the diverse and rich impulses that our body sends. So, it’s about becoming aware of the correspondence between the „outside“ and the „inside“, and how we can use the wisdom of our bodies to authentically hold a space in which a group develops. This can be accomplished through a variety of practices: Meditation, mindfulness practices, dance therapy and pedagogy practices, or specific approaches such as Leadership Embodiment (Palmer/Crawford, 2013).

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More about the principles and practice of facilitation in my „Mini Handbuch Facilitation“, published 2021 by Beltz-Verlag, or in our training offers on www.facilitation-academy.de

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